Dienstag, 27. Juni 2017

Philip Oeser: „Von Nordhausen nach Weimar“

Die Ankündigungen und Vorschauen zur Vernissage am Samstag und der Eröffnung der Sonderausstellung dieses, in Nordhausen geborenen Künstlers im Kunsthaus Meyernburg unter genannten Motto waren vielfältig und ausführlich in der Presse zu lesen, von dem Ereignis selbst aber bis heute nichts. Das ist zwar nicht neu und ungewöhnlich, in diesen besonderen Fall aber wohl doch: schon anlässlich einer Oeser-Ausstellung 2014 im Nordhausen-Museum Flohburg war die tatsächliche Bekanntheit des Künstlers in Nordhausen beiläufig Thema. Und die Zahl der Vernissage-Gäste am Samstag ließ ebenfalls Überlegungen zur Bekanntheit Philip Oesers in Nordhausen aufkommen. Die Ankündigungen und Vorschauen allein können Anreize bewirken, aber keine nachhaltige Bekanntheit.
Die wird eher durch den Besuch der Vernissage und der Ausstellung und deren Berichte dazu erreicht (wenn sie denn kommen), wenn man schon den Künstler selbst nicht (mehr) kennt. Eine Vorstellung von ihm, seinem Leben und seinem Schaffen vermittelte schon zuvor in verschiedenen gleichartigen Ausstellungen Dr. phil. Cornelie Becker-Lamers, als ausgewiesene, profunde Kennerin des Künstlers Philip Oeser. Ich erinnere mich an eine ihrer Laudatien aus dem Jahr 2014 (im Museum Flohburg) in der sie u.a. ausführte:
„Philip Oeser kam hier zur Welt, besuchte die Schule, absolvierte, soweit die Zeitläufte es ihm gestatteten, hier eine Ausbildung und machte in den Zeichenschulen von Martin Domke und Renate Niethammer auf sein künstlerisches Talent aufmerksam.
Und weiter: Er kam noch einmal nach Nordhausen zurück, um ein zweites Leben zu beginnen, im Alter von 30 Jahren, nach dem Studium in Weimar und Westberlin, als freischaffender Künstler, nach dem schrecklichen Schicksalsschlag des Todes von Sohn und Ehefrau bei der Geburt des ersten Kindes. Dieses traumatische Erlebnis, das noch Jahrzehnte später in Oesers Kunst seine Spuren hinterläßt, zerschlägt dem jungen Mann nicht nur seinen gesamten privaten Lebensentwurf, sondern nimmt ihm auch für ein Dreivierteljahr die Möglichkeit zu arbeiten. "Der Selbstmord nimmt einem nicht nur das Leben, sondern auch den eigenen Tod", notiert er in sein Tagebuch: Er spielt mit dem
Gedanken an den Freitod und entkommt ihm nur aus unterschiedlichen Überlegungen heraus. Die Tagebücher aus dieser Zeit, Juli 1959 bis März 1960, hat Oeser vernichtet. Selbst seine zweite Frau weiß wenig über diese Zeit, wir wissen nur, daß er im Frühjahr des folgenden Jahres, März 1960, so langsam wieder in der Lage ist zu arbeiten.
Mit Helmut Müller kam 1959 also ein junger Mann nach Nordhausen, in seine Heimatstadt zurück, der bereits auf die "Trümmer" seiner Biographie zurückblicken mußte. Bei der Rückkehr nach Nordhausen geht es um nichts Geringeres, als das Leben neu wiederzufinden. Am 22. Januar 1961 notiert er in Nordhausen in sein Tagebuch: "Freitag im Judenturm [dem ehemaligen Domizil der Malschule Domke] gewesen, Trümmer der eigenen Vergangenheit zu besichtigen. Alles zerschlagen, aufgebrochen." Und als er ein halbes Jahr später, Anfang Juni 1961, Weimar besucht, notiert er: "Weimar, nach 10 Jahren. Vor 10 Jahren (Juni 51) verließen M. und ich diese Stadt [nach Westberlin],

die nun so klein und ruhig ist." Der 32jährige erinnert sich wie ein alter Mann, blickt auf sein Leben zurück.

Aber stand die Rückkehr nach Nordhausen tatsächlich nur mit dem Schicksalsschlag des Todes von Frau und Kind im Zusammenhang? Oesers Tagebücher erwecken den Eindruck, auch sonst habe ihn wenig in Westberlin gehalten. Außer mit Helmut Dittmann und Rainer Behrends, so sagt Frau Müller-Krumbach, verband ihn keine Freundschaft mit den Kommilitonen. Das mußte sogar die Staatssicherheit konstatieren. Bei einer Einschätzung, ob Oeser als Reisekader von ihm restaurierte Werke Dürers zu einer Ausstellung nach Basel begleiten sollte, heißt es am 31. Mai 1974 in der Akte: "Verbindungen zur o.g. Hochschule [HBK Charlottenburg] bzw. den ehemals dort Studierenden [...] sind nicht bekannt." Oeser durfte reisen.

Das mag genügen, um den Menschen und Künstler Philip Oeser allgemein in Erinnerung zu bringen. Diesmal verband Dr. Cornelie-Lamers ihre Ausführungen überwiegend mit ausgewählten Werken Oesers aus der Ausstellung mit zahlreichen Verweisungen und Erläuterungen. Es scheint mir deshalb wenig sinnvoll, ihre Ausführungen hier aus dem Mitschnitt wiederzugeben, deshalb beschränke ich mich auf die Anregung, die Ausstellung zu besuchen – was bis zum 27.08. möglich ist – oder an einer der sicher folgenden Führungen von Kunsthistorikerin Susanne Hinsching teil zu nehmen, deren Termine noch bekanntgegeben werden.
Sei schließlich noch bemerkt, dass die musikalische Umrahmung der Ausstellung durch den Cellisten Matthias Weiker (Loh-Orchester) eine ausgesprochene Bereicherung darstellte, für die sich Susanne Hinsching auch entsprechend bedankte. Die in der Begrüßung der zweiten Frau Philip Oesers, Müller-Krumbach, der Laudatorin und aller anderen Gäste hervorhob, dass Nordhausen doch eine ganze Anzahl an Künstlern hevorbrachte und hier auch ein Zuhause hat. Ich komme bei entsprechender Gelegenheit darauf zurück.

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